Winckelmann und Ägypten

Ausblick -

Alfred Grimm: Das Münchener Ensemble ägyptisierender Götterdarstellungen aus dem Klassizismus

Bei den kleinformatigen, zu einem Ensemble ägyptisierender Götterdarstellungen gehörenden Figuren handelt es sich fast ausschließlich um Nachschöpfungen im ägyptischen Stil aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, also aus dem Klassizismus. Diese sind an antiquarischen Vorlagen des 17. und 18. Jahrhunderts orientiert, die wohl in Italien bzw. vin italienischen Bildhauern angefertigt worden sind.

(Bei aktuellen Browsern mit Bilddarstellung erscheint hier eine Grafik oder ein Foto, Bildbeschreibung siehe unten)

Ägyptisierendes Mischwesen mit hieroglyphenimitierender Inschrift
Italien, 2. Hälfte des 18. Jh.
Schwarz gefärbter Alabaster und elfenbeinfarbener Marmor; H. 44cm

In der Seitenansicht dieses ägyptisierenden Mischwesens wird deutlich, daß es in seiner formalen Gestaltung einer in der Antiquite expliquee, et representee en figures von Bernard de Montfaucon enthaltenen Darstellung einer Figur vom Standardtypus altägyptischer Katzenfiguren nachgebildet zu sein scheint. Die Bildung des im Tierleib integrierten und vom Tierfell umrahmten Gesichtes orientiert sich dagegen an einer in der Recueil d'Antiquites (...) des Comte de Caylus abgebildeten Büste. Nach den von de Montfaucon beigegebenen Erläuterungen dürfte es sich bei dem hundegestaltigen Mischwesen vielleicht um die ägyptisierende Darstellung des Höllenhundes Kerberos als Begleiter des Gottes Serapis handeln. Da der Hund nach den antiken Schriftstellern über Sirius, den »Hundsstern«, auch mit Isis verbunden worden ist, hat diese Figur sehr wahrscheinlich als Begleiter der Isis Eingang in das Münchener ägyptisierende Götterensemble gefunden. Zur Inschrift auf der Rückseite siehe Kat. 62.

(Bei aktuellen Browsern mit Bilddarstellung erscheint hier eine Grafik oder ein Foto, Bildbeschreibung siehe unten)

Ägyptisierende "Kosmische Isis" mit hieroglyphenimitierender Inschrift
Italien, 2. Hälfte des 18. Jh.
Schwarz gefärbter Alabaster und elfenbeinfarbener Marmor; H. 44cm

Durch die stark stilisierte Weltenkugel auf dem Kopf soll die mumiengestaltige, nach den Vorlagen in den Werken von Kircher und Montfaucon (Kat. 64; Kat. 67) geschaffene ägyptisierende Figur die »Kosmische Isis« darstellen. Neben der »Isis Pelagia« (Kat. 116) mit dem Sternenmantel und der »Isis mit dem Horusknaben« (Kat. 117) liegt mit der »Kosmischen Isis« eine weitere Erscheinungsform dieser Göttin vor. Im Münchener Figurenensemble aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ist die Göttin Isis als universale Gottheit in ihren wichtigsten Aspekten durch einzelne Figuren repräsentiert. Zur Inschrift auf der Rückseite siehe Kat. 62.

(Bei aktuellen Browsern mit Bilddarstellung erscheint hier eine Grafik oder ein Foto, Bildbeschreibung siehe unten)

Ägyptisierender "Jugendlicher Jorus"
Italien, 2. Hälfte des 18. Jh.
Heller, stellenweise gelb-bräunlich gefärbter Alabaster; H. 53,5 cm

Die mumienförmige, undifferenziert gestaltete Körperpartie mit den unter dem Gewand plastisch angedeuteten Füßen verbindet diese ägyptisierende Figur sowohl mit einem anthropoiden, iri der Antiquite expliquee, et representée en figures von Montfaucon (Kat. 66-67) abgebildeten Sarg, als auch mit den» Imagines Hori« in Athanasius Kirchers >ägyptologischem< Hauptwerk Oedipus Aegyptiacus (Rom 1652-1654). Im Kontext des Münchener Ensembles ägyptisierender Figuren aus dem 18. Jahrhundert (Kat. 116-122), die ausnahmslos Gottheiten vorstellen sollen, ist diese ägyptisierende Figur nach der Terminologie von Athanasius Kircher als »Jugendlicher Horus« anzusprechen, der als Kind-Gott zusammen mit seiner göttlichen Mutter Isis auch in der Figur der» Isis mit dem Horusknaben« (Kat. 117) dargestellt ist.

(Bei aktuellen Browsern mit Bilddarstellung erscheint hier eine Grafik oder ein Foto, Bildbeschreibung siehe unten)

Ägyptisierende "Isis Pelagia" mit hieroglyphenimitierender Inschrift
Italien, 2. Hälfte des 18. Jh.
Schwarz gefärbter Alabaster und elfenbeinfarbener Marmor; H. 56cm

Die ägyptisierende Figur zeigt die Göttin »Isis« in ihrer Sonderform als »Isis Pelagia«, also als Isis der Schiffahrt, nach einer Isisdarstellung in den Le lmagini de i Dei degli antichi des Vincenzo Cartari, dem mythologischen Standardwerk des 16. und 17. Jahrhunderts. Dieser Darstellung liegt eine Textstelle aus den Metamorphoses (»Verwandlungen«) des Apuleius von Madaura zugrunde. Wie Wolfgang Amadeus Mozarts »Königin der Nacht« trägt die Göttin »Isis« ein mit Sternen besetztes regenbogenfarbiges Gewand. Mit der Linken hält sie ein jetzt bis auf die Takelage zerstörtes Schiff und in der Rechten hielt sie ursprünglich einen Zweig, der aus anderem Material gefertigt und in die Durchbohrung zwischen Daumen und Zeigefinger eingesteckt gewesen war. Über dem erhaltenen Kopfschmuck, einem stilisierten Blütenkranz, saß ursprünglich eine Bekrönung, die aus einer Mondscheibe sowie hoch aufragenden stilisierten Kornähren bzw. Blütenblättern bestand und nach der dem Bildwerk zugrunde liegenden Vorlage rekonstruiert werden kann.

(Bei aktuellen Browsern mit Bilddarstellung erscheint hier eine Grafik oder ein Foto, Bildbeschreibung siehe unten)

Ägyptisierende Figur mit hieroglyphenimitierender Inschrift
Italien, 2. Hälfte des 18. Jh.
Heller, stellenweise gelb-bräunlicher Alabaster; H. 45,5 cm

Für die beleibte ägyptisierende Figur mit helmartiger Kopfbedeckung, die sich schildartig auf dem Rücken fortsetzt, langem (Königs-)Bart, und bis unter die Knie reichendem, längsgestreiften Schurz, konnte bislang ebenso wenig ein unmittelbares Vorbild gefunden werden wie für die kleine, dämonen- bzw. teufelsgestaltige Figur mit Eselsohren und Klauen, die mit äußerst plumpen Armen und Händen ein undefinierbares Wesen mit unförmigem Gesicht an die Brust gedrückt hält. Das >teuflische< Wesen wird dabei von der großen stehenden Figur mit gespreiztem Zeigefinger und kleinem Finger, in der Gestikulation der Ausdruck höchster Verachtung, am Kopf berührt. Diese sicherlich ebenfalls ägyptisierende Figurengruppe unterscheidet sich auffallend von den übrigen Figuren des Münchener Götterensembles. Durch ihre Thematik, das Bezwingen der »dunklen Mächte der Finsternis«, scheint sie in einen völlig anderen Kontext zu gehören; eventuell handelt es sich um eine vom Gedankengut der Freimaurer inspirierte Figur. Zur Inschrift auf der Rückseite siehe Kat. 62.

(Bei aktuellen Browsern mit Bilddarstellung erscheint hier eine Grafik oder ein Foto, Bildbeschreibung siehe unten)

Ägyptisierende "Isis mit dem Horusknaben" mit hieroglyphenimitierender Inschrift
Italien, 2. Hälfte des 18. Jh.
Schwarz gefärbter Alabaster; H. 45cm

Das Vorbild für diese ägyptisierende Figur ist die in der Antiquite expli­ quee, et representee en figures von Montfaucon (Kat. 66-67) und in der Recueil d'Antiquites (...) des Anne-Claude-Philippe de Thubieres, Comte de Caylus (Kat. 65) abgebildete Pseudo-Würfelfigur des Pakhrof aus der Spätzeit (26. Dynastie, um 600 v. Chr.), die sich heute in der Pariser Bibliotheque nationale befindet. Bei der später als »Horus« gedeuteten kleinen Figur vor der angeblichen »Isis«, die jedoch niemanden anderen als den Statuenbesitzer Pakhrof zeigt, handelt es sich aufgrund der Ikonographie in Wirklichkeit um den Gott Ptah von Memphis, der vor sich ein Szepter hält. Zur Inschrift der Rückseite siehe Kat. 62.

Webdesign: RexPublica