Altägypten (be)greifen

40 Berührungspunkte für Blinde und Sehende

Staatliches Museum Ägyptischer Kunst München, 9. Feb. - 15. Oktober 2006
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Totenkult im Alten Ägypten

Die Ägypter glaubten an ein Weiterleben nach dem Tode, wobei sie sich das Jenseits als idealisiertes Abbild des Diesseits vorstellten. So wurde das Grab zum Wohnhaus des Verstorbenen in seiner jenseitigen Existenz, und es musste mit all den Dingen ausgestattet sein, über die man bereits im Diesseits verfügt hatte. Daher stattete man das Grab mit Beigaben für den Verstorbenen aus, mit Nahrungsmitteln in Gestalt von Naturalien oder Modellen, mit Kleidung und Schmuck, mit Möbeln und allen Gebrauchsgegenständen aus dem Alltagsleben. Dafür verwendete man sowohl die Dinge, die der Verstorbene in seinem Besitz gehabt hatte als auch Gegenstände, die extra für das Grab geschaffen wurden. Zu letzteren zählen neben dem Sarg die Kanopen und Uschebtis, die im Folgenden beschrieben werden.

Zwar war das Weiterleben im Jenseits im Prinzip für jeden Ägypter möglich, unabhängig von Geschlecht oder sozialer Stellung, doch es gab eine große Hürde in Form des Totengerichts. Nach seinen Vorstellungen musste sich jeder Ägypter vor einem Gericht für alle Taten seines Lebens verantworten. Den Vorsitz dieses Gerichtes, das in der Halle der Gerechtigkeit stattfand, hatte der Jenseitsherrscher Osiris. Auf einer Waage wurde das Herz des Toten aufgewogen gegen eine Feder als Symbol der Ma-at, der Gerechtigkeit. Fiel das Urteil zugunsten des Verstorbenen aus, konnte er seine ewig währende jenseitige Existenz im Gefilde der Seligen, dem Paradies, antreten. Neigte sich die Waage jedoch zu seinem Ungunsten, fiel er der ewigen Verdammnis anheim und wurde von der Großen Fresserin verschlungen, einem Furcht erregenden Mischwesen aus Nilpferd, Krokodil und Löwe.

Bestand der Ägypter die Prüfung des Totengerichtes, durfte er sich fortan Ma-acheru, das bedeutet der Gerechtfertigte, nennen. Streng genommen ist er dann kein Toter mehr, sondern ist nach der Auferstehung verklärt worden zu seiner jenseitigen Existenz. So gesehen haben die Ägypter keinen Totenkult, keinen Kult um und für Verstorbene betrieben, sondern die Hoffnung auf die Auferstehung und das ewige Leben in den Mittelpunkt gestellt. Der entscheidende Unterschied zum Christentum besteht in der nicht vorgesehenen Möglichkeit einer Erlösung. Beim Totengericht fällt die Entscheidung zwischen Seligkeit und Verdammnis, eine zweite Chance gibt es nicht.

Zum Thema "Totenkult" vorgestellte Objekte:

Modelle ineinander geschachtelter Särge

Unabdingbar für die jenseitige Existenz war der unversehrte Körper des Verstorbenen. Aus dieser Vorstellung resultiert der Aufwand, den man für den Erhalt und die Bewahrung des Körpers betrieben hat. Dafür entwickelte man das aufwändige Verfahren der Mumifizierung. Diese hatte sich letztendlich aus der Beobachtung bereits in sehr früher Zeit ergeben, dass die Trockenheit des Klimas und des Sandbodens, in den die Verstorbenen zunächst gebettet wurden, zu einer Art natürlicher Mumifizierung des Körpers führte und ihn so vor dem Verfall bewahrte.

Das Entscheidende bei der Mumifizierung ist daher eine Art Bad des Körpers in Salz, in Natron, um ihm die Flüssigkeit zu entziehen. Bis zu 70 Tagen konnte dieses Verfahren dauern. Dann wurde der Körper gesalbt und in viele Lagen von Leinenbinden gewickelt, in die zum Schutz Amulette eingewickelt werden konnte. Diese Zeit der Mumifizierung war eine Phase des Übergangs von der Daseinsform des Lebenden zur Daseinsform des Verklärten. In dieser Zeit war der Mensch äußerst gefährdet, schwebte sozusagen im Niemandsland zwischen Tod und Auferstehung. Daher ist der Vorgang der Mumifizierung, obwohl er täglich viele Male überall in Ägypten stattfand, nur ganz vereinzelt dargestellt worden. Die Darstellung an den Wänden der Gräber bedeutet eine Verewigung des Vorgangs, der immer wieder abgerufen werden konnte - und dies wollte man ja gerade bei der Mumifizierung nicht haben.

Dem Schutz des Körpers diente auch der Sarg. Anfänglich hatten die Särge die Form eines schlichten Kastens, später wurden sie in Gestalt einer Mumie gefertigt. Wenn man es sich leisten konnte, bettete man die Mumie in mehrere ineinander geschachtelte Särge aus Holz. Besonders wertvoll war Zedernholz, das aus dem Libanon importiert werden musste. Aufgrund seiner ätherischen Öle und Harze war dieses Holz besonders widerstandfähig gegen Schädlingsbefall. Diese ineinander geschachtelten Särge - üblich waren zwei bis drei von ihnen - wurden natürlich von innen nach außen immer größer, was die erstaunliche Größe mancher Särge erklärt. Dieses Ensemble konnte dann noch in einen äußeren Sarkophag aus Holz oder Stein in Gestalt einer großen Wanne mit Deckel gestellt werden.

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Mumiengestaltiger Sarg

Gegen Ende des Mittleren Reiches, ab etwa 1800 vor Christus, wechselte allmählich die Form der Särge von einfachen Kästen zu mumiengestaltigen Särgen aus Holz.

Diese waren oft bemalt mit Darstellungen von Jenseitsgöttern und beschriftet mit Gebeten. In der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends bis hinein in die römische Zeit wurden diese Särge auch aus Stein gefertigt.

Dieser Sarg ist aus Kalkstein gearbeitet und weist keinerlei Verzierungen oder Inschriften auf. Aus den idealisierten Zügen des Gesichtes, das von einer Strähnenperücke gerahmt wird, lässt sich auch nicht ablesen, ob der Bestattete männlich oder weiblich gewesen ist. Der Sarg ist aus zwei Teilen gearbeitet. Dabei passen Sargdeckel und Unterteil so exakt aufeinander, dass die Übergänge kaum zu spüren sind. Die heute reparierten Beschädigungen im Brustbereich gehen auf einen Versuch von Grabräubern zurück, den Sarg gewaltsam zu öffnen bei ihrer Suche nach wertvollen Beigaben. Offensichtlich waren sie nicht in der Lage, den Deckel vom Unterteil abzuheben.

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Vier Eingeweidekrüge

Bei der Mumifizierung wurden zunächst durch einen Schnitt an der Seite des Leibes die Eingeweide entfernt. Diese bestattete man separat in großen Krügen, die mit einem griechischen Wort auch als Kanopen bezeichnet werden. Das Herz als Sitz des Lebens beließ man im Körper oder legte es wieder in die Brust zurück. Die Kanopen waren anfangs schlichte Gefäße mit einem flachen Deckel und aus Ton oder Kalkstein gefertigt. Später erhielt der Deckel die Gestalt eines menschlichen Kopfes und die Eingeweide wurden in den Schutz bestimmter Götter gestellt.

Diese Schutzgötter der Eingeweide werden auch Horus-Söhne genannt und treten immer zu viert auf. Daher besteht ein kompletter Satz von Kanopen aus vier Gefäßen. Diese vier Götter haben verschiedene Gestalten und sind stets für bestimmte Organe verantwortlich. Der Gott Hapi hat einen Affenkopf und ist zuständig für den Schutz der Lunge. Amset ist menschenköpfig und bewacht die Leber. Der falkenköpfige Kebechsenuef beschützt die Unterleibsorgane und der schakalsköpfige Duamutef den Magen.

Die Kanopen wurden meist direkt neben den Sarg gestellt, um den Verstorbenen nicht von seinen lebenswichtigen Organen zu trennen. Bei besonders aufwändigen Bestattungen erhielten die Kanopen einen eigenen kleinen Schrein aus Holz oder Stein.

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Figur eines Uschebti

Die kleine mumiengestaltige Statuette zählt zu den unverzichtbaren Grabbeigaben. Ihre Bezeichnung leitet sich vom altägyptischen Wort uscheb ab, das soviel wie "antworten" bedeutet. Und genau dies sollte sie auch tun, wie der kurze Hieroglyphentext auf der Vorderseite des Unterkörpers beschreibt: Wenn nämlich der Verstorbene im Jenseits aufgerufen wird zur Arbeit, dann soll das Uschebti an seiner Stelle antworten: "Hier bin ich, ich will es tun."

Hier zeigt sich einmal die ganz praktische Seite der altägyptischen Jenseitsvorstellungen. Wenn das Jenseits als Abbild des Diesseits verstanden wird, musste im jenseits auch gearbeitet werden. In einem von der Landwirtschaft geprägten Land wie Ägypten wurde diese im jenseits anfallende Arbeit als Feldarbeit verstanden - und entsprechend sind die Uschebtis mit Hacken für die Bearbeitung des Ackerbodens ausgerüstet. Auf dem Rücken tragen sie ein Körbchen mit Saatgut. Königliche Uschebtis können entsprechend mit Krummstab und Wedel ausgestattet sein.

Anfangs nahm der Verstorbene ein einziges Uschebti mit ins Grab, das aus Stein besonders sorgfältig gearbeitet war und als sein Stellvertreter verstanden wurde. Dann wandelt sich allmählich die Vorstellung, und aus dem Uschebti wurde eine Dienerfigur. Dann allerdings wollte der Verstorbene über möglichst viele Diener verfügen. So besteht ein vollständiger Satz Uschebtis aus 365 Stück - für jeden Tag des Jahres ein Uschebti. Und getreu dem Vorbild des irdischen Lebens wurden den Uschebtis kleine Figuren als Aufseher beigegeben. Diese Aufseheruschebtis haben keine Mumiengestalt, sondern sind in die Tracht ihrer Zeit gekleidet.

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Statuette eines Ba-Vogels

Diese kleine Holzfigur ist das vergrößerte Modell eines Mischwesens, das die Seele des Menschen verkörpern soll. Der Ägypter hatte die Vorstellung, dass sich nach dem Tode die Seele vom Körper lösen und frei bewegen könne. Sie kehrt allerdings immer wieder ins Grab zur Mumie zurück und bedarf wie der Verstorbene der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Die Vorstellung der freien Beweglichkeit ließ den Künstler ein Wesen in Gestalt eines Vogels mit menschlichem Kopf und Armen schaffen. Damit verknüpft ist auch der uralte Wunsch des Menschen, fliegen zu können.

In den Grabbildern ist daher häufig in der Nähe des Verstorbenen seine Seele in Gestalt des Ba-Vogels zu sehen, der ebenfalls Opfergaben erhält. Kleine hölzerne Statuetten des Seelenvogels gehörten zu den Grabbeigaben.

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